Autorin: Erika Fässler
Heute beginnt meine erste Skitourenwoche mit dem SCB. Ich gehe mit der Seniorengruppe, weil es da gemütlicher zu- und hergeht. Dachte ich. Ich bin gut vorbereitet: Gstältli und Helmnetzli gekauft, Skier und Felle gewachst, Fellkleber erneuert.
Ich stehe pünktlich am HB in Züri, finde aber den 7-nach-Zug nach Chur nicht auf der Anzeigetafel. Die Bahnhofsuhr sagt, es ist 9 Uhr. Hä? Wir haben doch um 9.15 in Landquart abgemacht. Shit, Zeitumstellung! Ich höre Guido schon: Ich habe am Mittwoch doch noch alle vorgewarnt! Drei Stunden Zugfahrt, 40 Fr. Taxi, 6 km Skitragen und 100 gelesene Romanseiten später treffe ich gleichzeitig mit dem Rest der Gruppe im Hotel Mayor in S-charl (1810 m ü. M) ein. Dort vernehme ich, dass meine sportliche Leistung an diesem Tag vermutlich grösser war, als die der andern. Sie mussten dank Skiliften nur ca. 100 m aufsteigen und konnten die Woche mit einer hübschen Abfahrt bei super Schneeverhältnissen einläuten.
Montag
Unser Ziel, der Mot da l’Hom (2758 m ü. M.), sieht schneemässig nicht gerade vielversprechend aus. Aber was soll’s, zum Raufgehen reichen 20 cm in der Breite (im Notfall auch zum Runterfahren). Weiter oben hat es zwar Schnee, aber er ist stellenweise recht hart, sodass wir schon zum ersten Mal froh sind um unsere Harscheisen. Guido spielt Sherpa und persönlichen Begleiter, sodass wir alle zufrieden und wohlbehalten auf dem Gipfel ankommen. Die Schneeverhältnisse auf der andern Seite sind etwas besser. Zumindest im oberen Teil machen wir ein paar schöne Schwüngli auf wunderbarem Sulz. Weiter unten spielen wir Forrer-(äh)-Föhren-Hüpfen. Gut, es waren Arven, aber der Name ist ja egal (für Albert: Föhren = 2 Nadeln, Arven = 5 Nadeln). All die Hüpferei hat aber Wisi nichts gebracht. Er hat laut seinem Handy nur 50 % der nötigen Tagesleistung erbracht. Der Frust ist gross. Dafür freut sich Conny über ihre neue Wohnung in Bischofszell und wir stossen darauf an.
Dienstag
Damit wir den Tag nicht wieder mit Skitragen starten müssen, haben wir am Vorabend bachaufwärts ein Depot angelegt. Wir machen Witze darüber, ob die Skier wohl noch da sind, oder ob sich ein paar Italiener an den Schweizer Skiern erfreut haben und sie nun irgendwo verhökern gehen. Einige von uns sind wohl tatsächlich etwas nervös deswegen. Schon um 7.43 Uhr steuern sie los, obwohl der Abmarsch für 7.45 Uhr angesagt war. Albert, der Tourenleiter, hat nicht mal Zeit, seine Schäfchen zu zählen und zu fragen, ob sie denn auch alles dabei haben. Leider. Migg alias Giorgio freut sich über die schicke Ersatzsonnenbrille und ich mich über weniger Gewicht zum Schleppen. Die Skier warten jedoch schön brav am Depot und wir steuern den ersten Gipfel, den Piz Mezdi (2883 m ü. M.) an. Albert gibt kurz vor dem Gipfel alles und schaufelt uns eine schöne Treppe in den Schnee. Nach einem gemütlichen Päusli fahren wir zu Mägi, Heinz und Heiri runter, die auf einem Terrässli auf uns warten. Dort fasst Wisi den Job, eine Gruppe sicher zum Hotel runterzuführen. Er löst die Aufgabe bravurös. Albert geht mit uns andern auf den Mot dal Gajer (2796 m ü. M.). Er hat schon am Vorabend ein schönes Couloir entdeckt, das er mit uns befahren will. Die Verhältnisse sind super, wir sind begeistert und fahren fast bis vor’s Hotel runter. Am Abend treibt ein Sockendieb sein Unwesen. Albert verdächtigt jeden von uns. Am Schluss kommt nur noch Heiri in Frage. Als dieser aber mit finsterer Miene das Restaurant betritt und als erstes fragt, ob jemand seine Socke gesehen hat, sind die Verwirrung und das Gelächter gross. Später verkündet die Bedienung, dass der Hund mit Beute in der Schnauze gesichtet wurde, wie er in Richtung Wald verschwand. Sie meint, er vergräbt seine Beute jeweils und wir befürchten, die Socke nie mehr wiederzusehen. Dass Heiri sie schliesslich doch bei seinem Zeug findet und der Hund unschuldig ist, wird hier nur in einem Nebensatz erwähnt.
Mittwoch
An diesem Tag steht die Königsetappe auf dem Programm, der Piz Sesvenna (3204 m ü. M.). Wir steuern bereits eine Stunde früher los und schnallen unsere Skier erst mal auf den Rucksack. Ab der Alp Sesvenna hat es endlich genügend Schnee, um die Skier dort zu tragen, wo sie hingehören: an den Füssen. Von hier geht es lange relativ flach talaufwärts, bis wir endlich beim Gletscher ankommen und brav die Gstältli montieren. An dieser Stelle haben wir den Berg schon beinahe einmal umrundet. Nun geht’s steil bergauf und wir erkennen bald, dass weder Seil noch Steigeisen nötig sind, um den Gipfel zu erklimmen. Es hat zwar genug Schnee zum Skifahren, aber nicht so viel, dass es gefährlich wäre, den Gipfel auf direktem Weg vom Gletscher aus zu besteigen. Wir müssen also nicht mühsam über den Kamm kraxeln. Heinz hätte es nicht für möglich gehalten, aber auch er hat den Gipfel erreicht. Herzliche Gratulation an ihn und alle andern, die den Gipfel gestürmt haben.
Donnerstag
Heute dürfen wir wieder eine Stunde länger schlafen. Trotzdem herrscht schon beim Zmorge eine gewisse Hektik. Ich habe mein Müesli noch nicht zur Hälfte gegessen, als die ersten schon den Tisch verlassen. Als ich aus dem Skiraum komme, marschieren die ersten schon los. Um Punkt 7.45 Uhr, der abgemachten Zeit, ist ausser Guido und mir niemand mehr da. Ich frage mich, was los ist und denke mir, ja, ich bin tatsächlich mit einer Seniorengruppe unterwegs. Es ist wie wenn Senioren mit dem Zug unterwegs sind und schon zwei Stationen vor dem Ausstiegsort aufstehen und die Gänge und Türen blockieren, damit sie dann sicher rechtzeitig aussteigen können… Am Abend komme ich dem Problem (vielleicht) auf die Spur – das Tempo in der Gruppe ist allgemein zu schnell, also versuchen sie das Ganze wettzumachen, indem sie früher starten. Unser Vorsatz: Morgen machen wir es besser! Die Tour selbst ist wieder herrlich. Wir laufen nochmals Richtung Mezdi und Gajer. Ein Teil der Gruppe geht direkt auf den Gajer und fährt am gleichen Ort wieder runter, um für den letzten Tag nochmals ein Skidepot zu machen. Albert führt Migg, Guido und mich in einen schönen Hang am Mezdi, wo wir ein kleines Synchronskifahren veranstalten. Nachher steigen wir ebenfalls auf den Gajer und fahren über schönste Hänge und ein tiptop mit Schnee ausgekleidetes Couloir bis zum Bach runter. Über ein Strässchen und ein Hügeli fahren wir wieder fast bis zur Hütte. Super! Den Nachmittag schliessen wir mit einem Besuch im Bergbaumuseum ab.
Freitag
Leider ist schon der letzte Tag angebrochen. Nach dem wie üblich leckeren Zmorge steht nochmals ein tourenmässiger Leckerbissen auf dem Programm – der Piz Vallatscha (3021 m ü. M.). Um 6.45 Uhr verabschieden wir uns vom freundlichen Besitzer des Hotels, von Sauna, Hotpot und Frühlingsidylle und marschieren talaufwärts Richtung Alp Astras. Dort verabschieden wir uns zwischenzeitlich auch von Mägi und Heinz, die direkt Richtung Ofenpass ziehen. Für uns anderen beginnt nun der steilere Anstieg in umgekehrter S-Kurve auf den Gipfel. Mehrere Male glauben wir, das Ziel nächstens erreicht zu haben, aber der Gipfel mag es, uns zu veräppeln. Schlussendlich schaffen wir es aber und erkennen, dass sich die Anstrengung gelohnt hat. Die Aussicht ist phantastisch und die oberen Hänge sind traumhaft zu fahren. Auch unten ist der Schnee noch ganz ok und wir können zu unserem Erstaunen bis zum Parkplatz hinunter fahren, ohne allzu oft über Gras rutschen zu müssen. Ein wirklich würdiger Abschluss einer schönen, angenehmen Woche bei stets traumhaftem Wetter im Val S-charl. Engraziel fetg, liebe „Senioren“, dass ich euch begleiten durfte, und danke Albert, für die tollen Touren.
Teilnehmer: Heiri Forrer, Mägi Keller, Guido Fässler, Migg Stähli, Wisi Matzenauer, Heinz Müller, Conny Britt / Bergführer: Albert Brunner